Hallo zusammen,
Dies ist unser vorerst letzter Urlaubsbericht. Bis zum nächsten Bericht müsst Ihr Euch ein wenig gedulden, diesen werdet Ihr Anfang September aus Prien am Chiemsee erhalten.
Wie bereits angekündigt, hatten wir uns das Highlight der Reise für den letzten Abend aufgehoben. Um 18:00 Uhr stiegen wir in den Bus und fuhren erneut zum Place Jamaa El Fna, wo uns bereits unser persönlicher Guide erwartete. Er wurde uns wärmstens empfohlen und es hat sich tatsächlich gelohnt, eine Tour mit ihm zu machen. Er hatte Deutsch studiert und lehrt unsere Sprache auch an einem Privat-Gymnasium. Dies hat man wirklich gemerkt, er hat fast Akzentfrei gesprochen und beherrschte nicht nur einen immens großen Wortschatz, er hatte sogar ein großes Repertoire an Sprichwörtern parat. Auf dem Weg zu den Souks erklärte er uns, dass die Frauen in Marokko als „Gazellen“ bezeichnet werden. Aufgefallen ist uns im Folgenden, dass er immer sehr respektvoll über Frauen sprach und uns auch klar wurde, dass es nicht viele Unterschiede zu daheim gibt, abgesehen von ein paar Kopftüchern. Hatte man in Istanbul noch den Eindruck, dass Frauen generell in der zweiten Reihe stehen, hatte man hier fast den Eindruck von Gleichberechtigung, zumindest hat er uns dies so erzählt 🙂
In den Souks angekommen führte er uns durch die kleinsten Gässchen, in die wir uns alleine niemals hinein gewagt hätten. Vorbei an Handwerkern aller möglicher Ausprägung wurde uns klar, dass in diesem ca. 4 qkm großen Gebiet so gut wie alles hergestellt wird, was man im täglichen Leben in Marokko benötigt. Vom Vorhängeschloss über den Vogelkäfig bis hin zu Schuhen, Kleidern, Fußbällen und allem, was man aus Metall, Leder und Holz mit eigener Kraft bzw. teilweise abenteuerlichen Werkzeugen teilweise extrem schweißtreibend hergestellt werden kann. Dass der hierbei entstehende Schmutz (Staub) auf Dauer ziemlich ungesund sein muss, könnt Ihr Euch sicherlich gut vorstellen. Den Handwerkern stehen hierfür teilweise nur 2-3 qm zur Verfügung. Unter engstem Raum wird jeder Meter genutzt und eine Werkstatt reiht sich an die nächste. Man weiß gar nicht, wo man überall hinschauen soll, so viele Eindrücke gewinnt man. Es ist auch ziemlich schwer, wenn nicht unmöglich, dies in Worte zu fassen oder auf einem simplen Foto festzuhalten. Wir haben auch darauf verzichtet, alles zu fotografieren, da man den Menschen nicht das Gefühl geben möchte, in einem Zoo zur Schau gestellt zu werden.
Apropos Tiere: mittendrin befand sich auch ein Bereich, in dem lebende Tiere gar nicht so lebendig verkauft werden. An einer Stelle waren ganz viele Hühner in einem Käfig, neben dem sich eine Maschine befand, in der nach und nach jedem der Kopf abgetrennt wurde. Man möchte sich das nicht anschauen, muss aber auch verstehen, dass der Marokkaner seine Ware so frisch wie möglich kaufen möchte. Fünf Meter weiter, die nächste Bude, bei der man das Huhn lebendig aufs Fahrrad geschnallt bekam, um es dann daheim selbst zu schlachten. Einmal umgedreht, sah man einen Berg von mehreren tausend Eiern in der prallen Sonne liegen und da zweifelt man dann plötzlich wieder an der „Frische“… Kühlhäuser sind für Lebensmittel in Souks nicht vorhanden, nur für Getränke. Ausser Hühner bekommt man auch Hasen, Truthähne und Schafe. Schildkröten und kleine Chamäleons wurden als Glücksbringer verkauft und unser Guide konnte kaum glauben, dass es bei uns so etwas wie Artenschutz gibt und man bestraft wird, wenn man versucht, diese Tiere mit nach Deutschland zu bringen. Von artgerechter Tierhaltung bei Hühnern (Freiland- bzw. Bodenhaltung) zu erzählen, hatte ich vermieden, um völlige Verwirrtheit zu vermeiden.
Bevor wir wieder auf den „großen Platz“ kamen, sahen wir endlich die Löcher in den Böden, in denen eine Marokkanische „Spezialität“ zubereitet wird. Hier werden Schafsköpfe in Erdlöchern vergraben und gegart. Auf meine Frage nach dem Geschmack konnte unser Guide leider auch nur mit einem Schweppes-Gesicht antworten, also waren keine Worte vonnöten… Unter anderem diese Besondere Gasse war einer der Gründe für unsere Reise, denn Michi hatte hiervon einen Bericht im Frühstücksfernsehen gesehen und zum Anlass genommen, Marrakesch zum nächsten Ziel zu erklären. Nun (ca 20:30 Uhr) kamen wir wieder auf den Platz, auf dem sich inzwischen tausende Menschen befanden und alles mögliche zur erledigen hatten. Die einen möchten etwas essen, andere bekommen ein Henna-Tattoo (es gibt sooo viele Regeln, wer wann wo welches Tattoo tragen kann) und andere lassen sich von einer Wahrsagerin etwas über die Zukunft erzählen, was aber laut muslimischem Glauben eigentlich nicht gestattet ist. Vorbei an vielen Bauchtänzerinnen, die sich nur auf den zweiten Blick als verkleidete Männer herausstellten, kamen wir zu Schlangenbeschwörern, Gewürzhändlern zu Frauen, die anderen Frauen (da waren bestimmt 10 Zuhörerinnen) lautstark erklärten, wie sie sich zuhause gegen aufmüpfige Männer durchsetzen können. Gut, dass wir das alles nicht verstanden haben… Letztendlich am Rande des Platzes befand sich eine überdimensional große Leinwand auf der der Film „Moderne Zeiten“ mit Charlie Chaplin lief. Nicht zu glauben, wie viele Menschen sich diesen Film mit Begeisterung anschauten. Wir vermuten, dass dies die marokkanische Antwort auf unser public viewing war, denn in diesem Jahr müssen die Marokkaner leider bei der WM zuschauen.
Der krönende Abschluss des Abends war ein gemeinsames Abendessen über den Dächern von Marrakesch. Auf dem Dach eines Riads (kleine Hotels) genossen wir den Ausblick und ließen dem Guide freie Hand bei der Wahl und Bestellung unserer Speisen. Dies erwies sich als eine sehr gute Entscheidung, denn er hatte das goldene Händchen, uns Speisen zu bestellen, die einerseits sehr lokal geprägt sind (teilweise wirklich nur in Marrakesch erhältlich), andererseit aber für den europäischen Gaumen super angenehm waren. Die Bedenken, Hirn, Zunge oder Köpfe essen zu sollen, erwiesen sich als haltlos. Auch Rinderfüße, die angeblich eine Delikatesse sind, blieben uns erspart. Nein, es gab ganz „gewöhnliche“ Fleischgerichte und Suppen, die aber in der Zubereitung und im Geschmack einerseits sehr fremd, andererseits aber sowas von lecker waren, dass Thomas fast nicht genug bekommen konnte. Die Diät beginnt ja erst am Montag. Das Restaurant war eines der besten am Platz und war trotzdem sehr günstig. Abschließend wurden uns noch Obst, Süßigkeiten und Tee serviert. Unser Guide hat uns dann noch angeboten, mit seinem Auto zum Hotel zu bringen, was wir dankend annahmen. Die Fahrt erinnerte uns stark an eine Taxi-Fahrt in Istanbul, nur dass er nicht ganz so schnell fuhr, dafür aber ständig Berührung mit Mofas, Fahrrädern und Fußgängern aufnahm. Dass es bei diesem Chaos auf den Straßen nicht alle fünf Sekunden Todesopfer gibt, bleibt das Geheimnis dieser Stadt. Ähnlich wie in der Türkei herrschen hier einfach andere Regeln und wenn sich jeder dran hält, funktioniert es einfach. Schwierig wird es anscheinend nur, wenn mittendrin ein Tourist mit seinem Mietwagen auftaucht und den Verkehr fast zu erliegen bringt…
Im Hotel angekommen schauten wir uns noch das Spiel England gegen Italien an und gingen dann wehmütig zum letzten Mal ins Bett. Nach einer sehr kurzen Nacht, Michi fand gar keinen Schlaf, wurden wir bereits um 6:30 Uhr abgeholt. Zum Glück waren wir sehr früh am Flughafen, denn eine halbe Stunde später ging quasi das Marokkanische Verwaltungs-Chaos and den einzelnen Schaltern los.
Nun sitzen wir im Flieger und überbrücken die Flugzeit mit dem Schreiben dieser Mail. Wenn ihr sie erhaltet, könnt Ihr mit Sicherheit davon ausgehen, dass wir gesund wieder auf deutschem Boden gelandet sind.
Abschließend möchten wir noch einmal betonen, dass dieser Urlaub für uns der wohl beeindruckendste war. Die Welt in dieser Stadt kann man mit nichts vergleichen, was wir bisher gesehen hatten. Kurzfristig gesehen haben wir einen super Zeitpunkt für die Reise erwischt, denn im „Sommer“ erreicht es hier locker auch mal 50 Grad im Schatten. Langfristig gesehen war der Zeitpunkt auch ideal, denn Marrakesch ist gewollt auf dem Weg, die Zahl der alljährlichen Touristen in den nächsten Jahren mindesten zu verdoppeln (auf über 20 Millionen). Da fanden wir es doch ein wenig schöner, nicht ganz so viele Touris um uns zu haben und doch ein wenig Originalität erleben und genießen zu können.
So, jetzt aber genug der Worte. Wir werden uns sicher bald wieder sehen und da können wir noch ein wenig mehr von unseren Erlebnissen bei tausend und einer Nacht (eigentlich waren es nur 7) erzählen.
Viele liebe Grüße (aus dem Flugzeug),
Michi und Thomas