23.11.2025 Mittelamerika – Jamaika

Hallo

Wir waren schon wieder viel zu früh wach. Der Jetlag hält sich hartnäckiger als so mancher Seetag-Cocktail. Doch dieses Mal hatte das frühe Aufwachen einen kleinen Zauber: Durch das dunkle Kabinenfenster konnten wir die ersten Lichter von Jamaika erkennen. Nur ein paar schimmernde Punkte an der Küste, aber genug, um zu wissen: Es gibt Strom.

Nach Hurrikan Melissa, der die Insel vor drei Wochen schwer erwischt hat, ist das keine Selbstverständlichkeit. Und die Mein Schiff legte heute zum ersten Mal wieder in Ocho Rios an – irgendwie fühlte es sich an, als wären wir Zeugen eines kleinen Neubeginns.

Da wir ohnehin wach waren, standen wir um 6:30 Uhr bereits beim Frühstück. Um 8:45 Uhr sollte unser Ausflug starten – und pünktlich wie wir Deutsche halt mal sind, waren wir um 8:30 Uhr am Treffpunkt.

Gebucht hatten wir eine Tour mit Steven, dem „weißen Rastaman“ – eine Art Internetlegende, wenn man sich so in den Reisegruppen umsieht. Die Organisation lief erstaunlich einfach: fünf Pärchen, ein kleiner Bus und eine Stimmung, als wäre man irgendwo zwischen Klassentreffen und Abenteuertruppe. Morgen sehen wir uns alle direkt wieder beim nächsten Ausflug.

Erster Stopp: die Dunn’s River Falls, der wohl berühmteste Wasserfall Jamaikas. Und hier kommt ein kleiner Service-Hinweis an unser zukünftiges Ich:

Wenn man einen Ausflug bucht, sollte man die Beschreibung vorher genau lesen. Am besten mehr als einmal.

Wir haben das gestern Abend getan – und mit leichter Schnappatmung festgestellt, dass man für diesen Ausflug Wasserschuhe braucht. Denn man steigt den Wasserfall tatsächlich hinauf, über 400 Meter.

Unsere Wasserschuhe? Natürlich zu Hause gelassen. Zum Glück gibt es auf dem Schiff einen Shop, der offenbar genau für solche Touristenfälle existiert.

Trotz Schuhe war mein Gedanke heute Morgen vor den Fällen etwa:

„Wie bitte? Hier sollen wir hoch?!“

Der Wasserfall startet direkt am Strand und zieht sich dann gut. 200 Meter steil den Felsen hinauf. Ich dachte, Steven meint das bildlich. Tat er aber nicht.

Auf mein „Meinst du das ernst?“ kam nur ein entspanntes „Yeah man.“

In Jamaika bedeutet das offenbar je nach Tonfall: „Ja, klar“, „Alles gut“, „Mach dir keine Sorgen“, oder auch „Da kommst du schon irgendwie hoch“.

Zum Glück gab es zusätzlich unseren Guide Oliver. Ich erklärte ihm meine leichte Panik – worauf er meinte:

„No worries, I hold your hand.“

Und Thomas bekam automatisch den Job für die andere Hand.

Was soll ich sagen?

Wir sind da wirklich zusammen hochgestiegen. Wasser im Gesicht, Felsen unter den Füßen, zehn Menschen Hand in Hand, manchmal wie eine Kette aus Pinguinen mit nassen Knien.

Und statt Angst hatten wir… überraschend viel Spaß.

Eigentlich war es sogar wunderschön – dieses Klettern, Lachen, Rutschen, das gemeinsame „Wir schaffen das“, der Blick zurück auf das türkisfarbene Wasser unten.

So wurden aus Bedenken ein echter Jamaika-Moment, den wir so schnell nicht vergessen.

Nach dem Wasserfall führte uns Steven in den „Second Floor Market“. Der Name versprach etwas Größeres, doch eigentlich waren es drei Stände, die ein bisschen so aussahen, als hätte der Hurrikan ihnen erst gestern die Dächer weggepustet. Manche Früchte waren überreif, andere für unsere Begriffe eher noch unreif. Aber es wurde verkauft, was da war – denn viel gibt es im Moment einfach nicht.

Man merkt überall, wie teuer alles geworden ist und wie viel zerstört wurde. Also kauft man eben, was die Menschen anbieten.

Holzgeschnitzte, knallbunt bemalte Schildkröten zum Beispiel. Viel zu teuer. Aber sie hießen „Thomas“, wenn man sich in einem Gespräch mit dem Verkäufer verwickeln lässt. Was will man da machen?

Es ist dieses Gefühl von Mitgefühl und Respekt, das einen hier begleiten sollte. Der Tourismus ist überlebenswichtig – und wir möchten unseren Teil beitragen. Also haben wir uns durch den Mini-Markt probiert: gezuckerte Nüsse, eine grüne Orange, die überraschend lecker war, und eine fantastische Ananas, frisch, süß und duftend.

Danach ging es den Berg hinauf ins Hinterland. Je höher wir fuhren, desto deutlicher sah man, was Hurrikan Melissa angerichtet hat. Ausgerissene Bäume, abgerissene Äste, zerstörte Anlagen – Natur in einer Mischung aus Kraft und Verletzbarkeit. Es bedrückt und beeindruckt gleichzeitig. Oben angekommen wartete eine kleine Bar. Der Blick war schön – aber die Rum-and-Cola-Preise eher Kategorie „Karibik-Luxus“. Dafür gab es eine Toilette, die man nutzen konnte. Konnte… so halb. Die Spülung funktionierte nämlich noch nicht. Hurrikanfolgen.

Bevor es zurück ging, hielten wir noch an einem wunderbaren Aussichtspunkt. Türkis, Palmen, Hügel – die ganze Jamaika-Postkartenpracht.

Dann brachte uns Steven zurück zur Mein Schiff, wir legten schnell unsere Sachen ab, gönnten uns etwas zu essen und machten uns direkt wieder auf den Weg. Es war gerade erst 15:00 Uhr, viel zu früh, um einfach aufs Schiff zurückzukehren.Wir liefen in die Stadt, schlenderten ein bisschen, kauften ein paar Kleinigkeiten und tranken auf dem Rückweg noch jeweils eine frische Kokosnuss. Eisgekühlt, aromatisch, perfekt.Ein runder Tag. Warm, bunt, anstrengend und irgendwie echt.

Morgen geht es nach Montego Bay – wieder mit Steven. Er erzählte uns heute allerdings, dass Montego Bay viel schwerer vom Hurrikan getroffen wurde. Der Sturm kam dort direkt an Land, Strom gibt es vielerorts bis heute nicht. Nur Solarenergie hält ein paar Ecken am Leben. Steven sagte, es sei ihm wichtig, dass wir trotzdem kommen. Dass wir hingehen, sehen, zuhören – und auch mit kleinen Dingen unterstützen. Manchmal reicht eine Cola. Und das machen wir morgen auf jeden Fall.

Zur Klarstellung: Wir haben zwei Stopps auf Jamaika – Ocho Rios heute, Montego Bay morgen. Usain Bolt haben wir übrigens nicht getroffen, dafür aber sehr viel Reggae gehört. Und ja: Jamaika fühlt sich wirklich so an, wie Bob Marley klingt. Der Duft von Hanf liegt fast überall in der Luft. Offiziell ist das Rauchen an öffentlichen Plätzen verboten, besonders Gras. Aber so ist das manchmal mit den Regeln. Übrigens: Rastafari-Männer dürfen weder Zigaretten rauchen noch Rum trinken. Außer Gras, das dürfen sie rauchen, da es ein homöopathisches Medikament ist. Ihre langen Haare tragen sie, weil sie glauben, dass alles, was der Körper produziert, nicht abgeschnitten werden darf. So hat Steven es erklärt – und es klingt nach einer dieser Inselphilosophien, die man am besten bei Reggae und Sonnenuntergang versteht. Yeah man.

Bis morgen, liebe Grüße, Michi und Thomas

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